Beziehung

Wenn Kinder lügen: Wie gehe ich damit um?

von Manuela

Hilfe, mein Kind hat mich angelogen! Was kann ich tun?

Irgendwann kommt der eine Moment, in dem man als Elternteil das erste Mal feststellt, dass das eigene Kind gelogen hat. Wenn Kinder anfangen zu lügen, ist es vor allem eins, dramatisch für die Eltern. Für das Kind hat es, je nach Alter und Entwicklungsstand in der Regel eine ganz andere Bedeutung. Aber was bedeutet das nun für dich als Elternteil? Was steckt dahinter, wenn ein Kind lügt? Wie gehe ich damit am besten um? Kann oder sollte ich verhindern, dass mein Kind lügt?

Dafür sollten wir zunächst einmal schauen was Lügen überhaupt sind.

Was sind Lügen?

Es gibt viele verschiedene Arten von Lügen. Viel schwerwiegender als die Art der Lüge, ist für die Eltern-Kind-Beziehung jedoch die unterschiedlich starke Gewichtung und die moralische Einstellung der Eltern dazu. Eine Lüge ist faktisch erstmal nur etwas nicht Wahrheitsgemäßes.

Beispiele:

Dein Kind erzählt dir davon, wie es auf einem Einhorn zur Schule geritten ist.

Dein Kind erzählt dir, dass es die Schokolade auf dem Tisch nicht genommen hat.

  • Was davon triggert dich?
  • Was fühlst du bei der ersten und bei der zweiten Lüge?
  • Ist eine der beiden Lügen „schlimmer“?
  • Warum?

Beide Lügen sind lediglich nicht wahrheitsgemäß. Den Unterschied macht jedoch unsere moralische Einstellung zum Hintergrund der Lüge.

Die erste Lüge - Ein Meilenstein

Die erste Lüge, ein Meilenstein in der kognitiven Entwicklung!

Bevor wir zu den Hintergründen von Lügen kommen, möchte ich eins vorwegnehmen: Die erste Lüge ist vor allem eins, ein Meilenstein in der kognitiven Entwicklung deines Kindes! Du hast richtig gelesen. Dieses Ereignis ist deshalb von so großer Bedeutung, weil Kinder damit einen großen Entwicklungsschub vollbracht haben. Sie sind nun in der Lage Empathie zu empfinden und können sich in andere Rollen- und Perspektiven hineinversetzen. Diese Fähigkeit wird zwischen dem 5. und dem 6. Lebensjahr ausgebildet und bedeutet schlichtweg Mitgefühl zu empfinden. Sie lernen in diesem Alter zudem zwischen „Gut“ & „Böse“ und „Schein“ & „Sein“ zu unterscheiden und fangen an Schuld und Scham zu empfinden. Lügen, Mogeln und Täuschen kommen dann vor allem auch im Spiel häufig vor und haben eine große Bedeutung. Zauberei löst außerdem eine besondere Faszination hervor und spielt sich zwischen ihrer inneren Welt (was geht in mir vor) und äußeren Welt (was geht beim anderen vor) ab. Das alles zusammen ist zudem bereits der Vorläufer von Moral. Die moralische Entwicklung ist an Werten innerhalb der Familie, innerhalb der Gesellschaft und Gemeinschaft in der Kinder aufwachsen orientiert. Sie ist ein langer Prozess und setzt die Empathiefähigkeit voraus, daher ist die Entwicklung von Empathie ein wirklich großer Schritt in der Entwicklung deines Kindes.

Auch wenn es ein sehr großer Schritt in der Entwicklung deines Kindes ist, wird es sicherlich auch ein Schock für dich sein.

Warum lügen Kinder?

Es ist aufgrund unserer moralischen Vorstellungen für uns als Erwachsene meist schlimmer, wenn wir erleben, dass unsere Kinder lügen. Unsere moralische Vorstellung signalisiert uns also unterbewusst, Achtung, hier stimmt etwas nicht auf unserer Beziehungsebene. Und genau weil wir es oftmals als etwas persönliches wahrnehmen, uns persönlich betroffen fühlen, reagieren wir entsprechend. Wir gewichten es einfach unglaublich stark! Oftmals hilft es sich zu vergegenwärtigen und zu verstehen warum sie es tun. Nur dann ist es uns möglich auch angemessen zu reagieren.

Ein Grund warum Kinder lügen ist, weil sie sich etwas wünschen. Das sogenannte Wunschdenken, wenn das Kind zum Beispiel erzählt es wäre auf einem Einhorn zur Schule geritten. Nun wird uns diese Lüge als Eltern nicht so triggern wie anderen Lügen, aber dennoch lohnt es sich auch hier näher zu schauen, was dahintersteckt.

Fantasie, Kreativität, Vorstellungskraft und Träume

Bei dieser Unwahrheit nutzen Kinder aktiv ihre Fantasie, Kreativität und Vorstellungskraft. Sie träumen und stellen sich vor, bestimmte Dinge zu erleben. Das kann also ein Hinweis auf ein Bedürfnis sein, oder aber das Ausleben ihrer Kreativität und Fantasie. Als Eltern lohnt es sich hineinzuhorchen, um herauszufinden um was es sich dreht.

  • Welches Bedürfnis steckt dahinter, mit einem Einhorn zur Schule zu reiten? Ist das Kind fasziniert von Pferden? Hat es das Bedürfnis den Schulweg eigenverantwortlich und alleine zu bewältigen? Fühlt es sich stark oder größer auf dem Rücken eines Pferdes?
  • Oder möchte dein Kind eine Geschichte erzählen und die Fantasie schweifen lassen. Nimm die Möglichkeit wahr und gehe gemeinsam auf Fantasiereise, führe die Geschichte fort, fantasiere mit deinem Kind zusammen. Schmückt die Geschichten aus, malt sie zusammen auf einem Blatt Papier und ermutige dein Kind sich auszuprobieren.

Das lässt diese Lüge/Unwahrheit schon wieder ganz anders dastehen, oder?

Verhaltensweisen die auf Angst und Scham beruhen

Problematischer wird es meist dann, wenn Lügen etwas verheimlichen sollen. Das Verschwinden der Schokolade vom Tisch und deiner Beobachtung zum eindeutigen „Täter“. Du hast gesehen, dass dein Kind die Schokolade genommen hat und dennoch wird es verneint. Hier kommt die bereits erwähnte moralische Komponente und möglicherweise dein eigener, persönlicher Schmerz deines verletzten Wertes (z.B. Vertrauen, Ehrlichkeit) aus der Elternsicht mit ins Spiel, weshalb viele Eltern eine solche Situation als nicht akzeptabel und schlimm empfinden.

Lausche hier unbedingt deinen Gedanken und spüre in dich rein (Ist da Wut in dir? Dann lies auch gerne mal hier dazu.):

  • Was denkst du dir über dein Kind?
  • Welche Urteile fällst du über sein Verhalten?
  • Was wünschst du dir, wonach sehnst du dich eigentlich?
Was tun wenn Kinder lügen?

Wenn Kinder lügen – mögliche Ursachen

Warum lügt dein Kind in dieser Situation? Hat es womöglich schon mal eine Konsequenz eines solchen Verhaltens erfahren? Kann Angst und somit Selbstschutz oder gar Scham ein Motivator dessen sein? Kinder reagieren auf eine bestimmte Art und Weise, wenn sie sich in ihrer täglichen Beziehung unsicher fühlen. Reaktionen sind dann zum Beispiel:

  • sie tun etwas heimlich
  • sie lügen aus Angst vor der Reaktion der Eltern auf das Geschehene; Angst vor „Verhör“: „Warum hast du nicht,…“
  • sie ziehen sich zurück z.B. in Form von Bettnässen, Tics, Aggressionen, Stresssymptomen, Albträumen

Was kann ich tun, wenn mein Kind lügt?

Das übergeordnete Ziel sollte sein, dass das Kind von der Angst befreit wird, was es zu seinem „Verhalten“ bringt. Um deinem Kind die Angst zu nehmen, musst du deine Reaktion verändern. Das heißt, deine Haltung überprüfen und ein gleichwürdiges Miteinander gestalten, das ohne Angst arbeitet.

Gehe mit deinem Kind einfühlsam und respektvoll um (Wie das konkret aussehen kann, liest du hier). Lass los vom Verhör („Warum lügst du mich an?“), dränge es nicht und lege keine „Beweise“ à la „Ich weiß, dass du gelogen hast, weil…“ vor.

Das setzt dein Kind nur unter Druck und ist kontraproduktiv. Vor allem brauchst du Ausdauer, denn oftmals lässt es sich nicht einfach so in einem kurzen Gespräch klären und auch du musst erstmal üben nicht so zu reagieren, wie du es in der Vergangenheit gemacht hast. Gebt euch also Zeit.

Iss auf, sonst gibt es Morgen schlechtes Wetter (Eltern)

Tipps wie du mit einer Lüge deines Kindes umgehen kannst

  • Wenn du eine Reaktion siehst, die Angst erkennen lässt, dann spiegele die Wahrnehmung des Kindes: „Hast du dich grad erschreckt…“? Höre deinem Kind aktiv zu, um herauszufinden, wovor es Angst hat.
  • Wenn du vermutest, dass dein Kind seine echten Gefühle für sich behält aus Angst vor Missbilligung, dann stell eine Frage entsprechend der Situation wie z.B.: „Magst du selbst entscheiden, wann du aufs Klo gehst…?“ 

Was kann ich sonst noch tun?

Das eine oder andere lässt sich oftmals fix umsetzen. Erwarte jedoch nicht zu viel. Jedes Kind, jeder Erwachsene ist individuell, Rahmenbedingungen unterschiedlich und moralische Einstellungen ein Leben lang gewachsen. Das lässt sich nicht mit einem ultimativen Fahrplan in einem Krisengespräch mit deinem Kind von heute auf Morgen ändern. Diese Thematik betrifft alle Eltern irgendwann mal, daher ist dies auch ein wichtiger Baustein in meinem Mentoring-Programms „Gemeinsam wachsen: Von der Wut zur respekt- und liebevollen Eltern-Kind-Kommunikation“, bei dem wir auf die individuelle Situation eingehen und Lösungsvorschläge erarbeiten, anwenden, korrigieren und wieder anwenden.

Für eine nachhaltige bedürfnisorientierte Eltern-Kind-Beziehung.
Für dich, für dein Kind und für euch als Familie.