Gefühle
"Es nervt mich!"von Manuela
Wut verstehen – dich verstehen
Es ist 8 Uhr morgens. Meine Nacht war turbulent – im 3,60m Bett lagen meine Töchter und ich zusammen auf einer 80cm Matratze (es war also eng), ich habe schon die ersten Punkte meiner To-Do-Liste im Kopf und weiß gar nicht wie ich heute alles unter einen Hut kriegen soll:
8.30 Uhr heißt’s „Antanzen“ im Morgenkreis im Waldkindergarten, etwa 9 Uhr bei der Tagesmama – dann schnell nach Hause, arbeiten ODER einkaufen ODER Haushalt – bevor ich um 11 Uhr wieder los muss, um die Große pünktlich um 11.45 Uhr im Wald zu holen. Die Zeit ist getaktet. Sie ist gerade erst eingewöhnt.
Schnell mache ich noch die Thermoskanne fertig. Eigentlich wollte ich nun schon längst unterwegs sein. Ich rufe nach der Großen (3): „Bist du fertig?“. Keine Antwort. Ich stopfe die Brotdosen in den kleinen Rucksack, suche die Matschhose, die Handschuhe und flitze in Richtung Wohnzimmer.
„Warum hast du deine Strümpfe noch nicht an? Los jetzt, wir müssen gehen!“ Die Kleine (1,5) sitzt im Wohnzimmer auf dem Boden, räumt die Kiste mit den Handschuhen aus.
Ich rufe noch ein kurzes „HALLOOO, zieh dir bitte noch einen Pullover an – es ist kalt draußen. Hopp, zack zack, wir müssen los!“ – „Ich weiß nicht was ich anziehen soll!“ schallt es mir entgegen. Bitte, nicht schon wieder…
Die Zeit drängt, die Anspannung steigt
Die Zeit wird immer knapper, ich bin die reinste „Reintreiberin“ – und hasse es. Ich hasse es. Jeden Morgen. Die Große ist schon auf dem Weg in den Flur. Zum Glück. Da fällt mir ein, ich muss noch etwas einkaufen, heute Abend kommt Besuch. In Gedanken setze ich das auf die To-Do-Liste.
Die Große hat mittlerweile ihre Jacke an und kämpft mit den Schuhen. Aber es klappt nicht.
Man, schon zehn nach acht! Das wird wieder ne Nummer. Und die Küche sieht auch aus wie Sau.
„Fertig?“ Frage ich und sehe, dass sie den Schuh nicht ankriegt. „Warte, ich helf dir“, sag ich noch – ich will los.
„Nein! Ich mach das SELBER!“ faucht sie mich an.
Doch es klappt nicht. Sie schimpft, wütet und kickt den Schuh gegen die Wand:
„Ich geh nicht mit! Ich geh nirgendwo hin!“
Und stapft wutentbrannt die Treppe hoch, knallt die Türe zu.
Ich rufe nochmal nach der Kleinen – die schaut mich an und fängt plötzlich an zu weinen.
Es läuft.
Ich spüre sie – die Wut in mir
Ich spüre sie. Die Überforderung – und meine hochkriechende Wut. „Tja, selbst Schuld“, höre ich meine Gedanken. „Hättest sie früher aufgeweckt. DU willst sie ja bis Ultimo schlafen lassen. Und…wenn sie jetzt nicht gehen…kommst du wieder zu nichts…“
„Ich hab kein Bock mehr“ schreie ich. „Was ist denn los jetzt Marie? Echt immer das Gleiche, jeden Morgen! Das kotzt mich so an! Es nervt! Komm runter! JETZT!“
Was folgt waren Vorwürfe, Belehrungen und Urteile, zwei weinende Kinder und ich – heillos überfordert, überfragt und „weit weg“ von meinen Bedürfnissen, dafür voller schlechtem Gewissen. Wir kamen irgendwann los – irgendwie. Wir kamen rechtzeitig – aber abgehetzt. Im Auto schwiegen wir uns an. Keiner traute sich mehr etwas zu sagen. Ich fühlte mich unfähig.
Weil ich es besser wissen sollte. SO viel besser. Und das macht mich noch wütender…meine Reise zu mir ist noch lange nicht beendet. Dachte ich mir damals. Seitdem hat sich jedoch einiges geändert…
Die Wut erkennen
Kennst du solche oder ähnliche Situationen? Passiert es dir manchmal, dass du die Geduld verlierst und deine Kinder anschreist? Du bist gestresst von einer Situation, hast wahrscheinlich noch so viel zu tun und verstehst nicht, warum dein Kind dieses oder jenes einfach nicht macht?
Oder etwas dir Wertvolles ist kaputt gegangen oder wird kaputt gemacht und schon brennt sich die Wut und die Anspannung den Weg deine Kehle hinauf und entlädt sich in deinem Mund. Du schreist deinem Kind entgegen:
„ICH HAB‘ DIR DOCH SCHON HUNDERTMAL GESAGT…“
„BIST DU WAHNSINNIG? SPINNST DU?“
Kennst du diese oder ähnliche Sätze von dir? Vielleicht.
Wir reagieren ganz unterschiedlich, wenn wir wütend sind.
Manchmal baut die Wut sich langsam in dir auf, während du äußerlich versuchst ruhig zu bleiben. Das Gesagte vielleicht schon zum vierten Mal wiederholst und dein Kind immer noch nicht reagiert. Und dann erst bricht es aus dir heraus und du wirst laut.
Oder du bist plötzlich auf 180 und schreist los – ohne Vorwarnung -Wusch- brennen die Sicherungen durch.
Manchmal erstarrst du wie ein Eisblock. Unfähig zu reden, zu sprechen – vielleicht sogar über Tage hinweg?
Die Wut als solche zu erkennen ist wichtig. Sie ist ein unwillkürlicher Prozess, ein Automatisimus, der losgeht. Ist dir bewusst, was da passiert, kannst du neue Prozesse erlernen -und dich schließlich entscheiden zwischen „respekt- und liebevoll reden“ statt dein Kind verbal nieder zu machen. Etwas, das ich dir in meinem Mentoring-Programm „Gemeinsam wachsen: Von der Wut zur respekt- und liebevollen Eltern-Kind-Kommunikation“ zeige.
Die Wut ist in dir und hat nichts mit deinem Kind zu tun
Du denkst, es liegt daran, dass dein Kind immer noch nicht aufgeräumt hat.
Oder weil es zu laut spielt und „es nicht hört“, oder selbst gerade in einem kleinen Wutanfall steckt.
Das Verhalten deines Kindes ist nicht die Ursache, sondern der Auslöser für deine Wut.
Du denkst, dein Kind macht dich wütend – ist die Ursache für deinen heftigen Ärger?
Doch dem ist nicht so.
Ärger und heftige Reaktionen auf ein Verhalten entstehen, weil Gefühle in dir bereits lange unterdrückt wurden.
Meistens sind es Gefühle, die im Unterbewusstsein mit frühen Erfahrungen verbunden sind. Statt die Gefühle von damals anzunehmen, schiebst du sie weg und gibst der Wut ihren Platz dafür.
Denn mit der Wut bist du weniger verletzlich, als wenn du weinst oder deine Ängste kundtust.
Dein Kind und sein Verhalten sind also nicht die Ursache, sondern nur der Auslöser für deine Gefühle.
Was passiert, wenn du wütend bist und dein Kind anschreist?
Schreien kann befreiend sein, ja. Du kannst damit deiner Wut Ausdruck verleihen und lässt das Gefühl raus, statt es hinunter zu schlucken. Das ist grundsätzlich wichtig – damit die Energie in deinem Körper wieder fließen kann. (E-motion heißt energy in motion – Energie in Bewegung)
Das „anschreien“ bzw. „anschimpfen“ verbal hat nur einen großen Nachteil: Es ist in der Regel verletzend.
Das liegt am Ausbruch als solchen, der grundsätzlich mit einer Schuldzuweisung einhergeht.
„Wegen dir“, „Hättest du nicht…“ sind dann Sätze, mit denen sich der andere schuldig für deine Gefühle fühlt.
Mit der Wut umgehen lernen
Die Wut darf nicht unterdrückt werden.
Dann entsteht ein Stau und sie macht sich an anderer Stelle wieder breit. Die Wut ist gesund, wenn sie sein darf und erinnert dich in ihrer Erscheinung an deine eigenen Grenzen und unerfüllten Bedürfnisse.
Sie hat damit eine überlebenswichtige Funktion und es ist wichtig Kindern zu zeigen, dass auch wir Wut empfinden dürfen.
Sie ist eine Emotion von vielen. Sie gehört zu uns dazu – wie auch Freude, Trauer, Angst oder Scham. Die Frage ist, wie du auf das, was du da wirklich wahrnimmst, umgehst.
Die Herausforderung ist es also, in der Wut bei dir zu bleiben. Bei deinen eigenen Erfahrungen, Gefühlen und vor allem Gedanken. Denn sie sind es, die deinen Ärger auslösen, nicht dein Kind, das etwas gemacht hat.
Veränderung ist möglich
Stell dir vor, wie es wäre, wenn es gar nicht erst so weit kommt.
- Wenn du deine Kinder nicht mehr anschreist und ihr stattdessen neue Lösungen findet.
- Wenn du deine Wut besser im Griff hättest, damit die Situation nicht eskaliert.
- Wenn du eine ganz persönliche Strategie hättest mit deiner Wut umzugehen – bevor du explodierst und dich neu mit der Situation auseinander setzen kannst, falls es überhaupt noch nötig ist.
- Wenn du dir bewusst wirst über deine Gedanken, deine Gefühle und Bedürfnisse und im Konflikt diese bewusst aussprechen kannst?
All das ist möglich. Wenn wir bereit sind, in uns zu gucken und Veränderung zuzulassen. Neue Strategien zu testen und empathisch mit uns selbst umzugehen statt uns beständig selbst zu verurteilen.
Ja, ich glaube, viele von uns vergessen, dass sie Menschen sind, sobald sie Eltern geworden sind (es heißt ja: mit der Geburt eines Kindes wird eine Mama und ein Papa geboren!).
Elternsein ist kein Kinderspiel.
Es ist die größte Herausforderung, das größte Wachstum, das wir gehen können. Und es ist vor allem die größte Entwicklung am eigenen ICH – sich selbst kennen und verstehen zu lernen:
- Mit den Werten, wie sie in dir sind.
- Mit den Wünschen, die schon immer da sind.
- Mit deiner Kraft, die du hast und weitergeben willst
- Mit deiner Geschichte, die du aufarbeiten darfst.
- Mit den Erfahrungen, die in dir stekcen
- Mit den Visionen, die du leben möchtest.
- Mit deinen Bedürfnissen, die sind.
Die eigene Wut und sich selbst zu verstehen geht einher mit viel Mut und Geduld – doch ist es gangbarer und immens wertvoller Weg, den dir auch dein Kind danken wird – versprochen!
Wenn auch du dich und dein Kind in schwierigen Situationen besser verstehen möchtest und einen Weg suchst „anders“ zu reagieren, dann komm zu meinem 12-wöchigem Mentoring-Programm „Gemeinsam wachsen: Von der Wut zur respekt- und liebevollen Eltern-Kind-Kommunikation“ dazu. Denn du bist die Veränderung!