Beziehung, Kommunikation

Von Glaubenssätzen und Erziehungsmythen

von Manuela

Wie sich diese 6 Glaubenssätze in die Erziehung deines Kindes einschleichen

Da ist es, diese unpassende Verhalten deines Kindes. 

“Das gibt’s doch nicht! Es muss lernen, dass ‚man‘ das nicht macht. Außerdem hat er mir Respekt zu zollen!“ 

Ohne Wissen warum dein Kind sich so verhält und warum genau dieses Verhalten für dich so schwer auszuhalten ist, reagierst du ohne zu zögern.

Denn da ist ist das, was du selbst erlebst hast. Deine eigenen, persönlichen Erfahrungen, deine historisch bedingten Rollenbilder, deine Urteile – sie formen alle zusammen deine Glaubenssätze.

Und diese wiederum beeinflussen vehement die Art und Weise wie du mit deinem Kind umgehst. Wie du handelst. Wie du reagierst.

Deine persönlichen Glaubenssätze spielen in der Erziehung deiner Kinder also eine große Rolle!

Was sind GlaubenSÄTZE?

Glaubenssätze sind Sätze und Prinzipien, die wir in unserer Kindheit gehört haben und uns vorgelebt wurden.

Sie sind das, woran unsere Vorbilder, Bezugspersonen glaub(t)en, entstanden aus deren Erfahrungen. Sie sind (unter-)bewusst ein Teil von uns geworden sind. Seien es Aussagen über uns selbst, über andere, oder über die Gesellschaft. Es sind Stützen, die uns auf unserem Weg begleiten und unseren Glauben an etwas festigen. 

Glaubenssätzen können die Persönlichkeit definieren, sie sind mit deinen ganz eigenen Werten und Vorstellungen gespickt. Mit ihnen kreierst du ein Bild und eine Realität, an der du dich orientierst. 

Und doch sind Glaubenssätze erst mal nichts anderes als Gedanken. Und die bestimmen unser Handeln.

„Hinter vieler, wenn nicht aller Gewalt – ob verbal, psychologisch oder physisch, ob unter Familienangehörigen, Stämmen oder Nationen – steht eine Art des Denkens, die die Ursache eines Konflikts dem Fehlverhalten des Gegners zuschreibt. Dazu gehört auch eine Unfähigkeit, über sich selbst oder andere in Worten von Verletzlichkeit zu denken – was jemand vielleicht fühlt, befürchtet, ersehnt, vermisst usw.“ (Rosenberg 2016: 31)

Wenn wir beispielsweise glauben, dass der andere ‚etwas mit Absicht‘ getan hat, um uns ‚zu provozieren‘ – ohne, dass wir das wissen – kann dich das rasend machen. Du wirst wütend, dein Körper reagiert mit Stress, ob du willst oder nicht. Und die willst du abbauen. (Ideen, wie du das tun kannst, habe ich dir unter „33 Alternativen statt schreien und schimpfen“ zusammengetragen.)

Bild mit Zitat

6 Glaubenssätze, die dich begleiten

Nicht nur wir selbst tragen unsere Glaubenssätze in uns, sondern wir geben sie automatisch unseren Kindern mit. 

Auch deine Eltern bzw. dein Umfeld haben dir sicher einige Glaubenssätze oder Prinzipien in der damaligen Erziehung mit auf den Weg gegeben. Denk mal an deine eigene Kindheit. Was wurde dir alles gesagt, woran musstest du dich halten?
Diese Frage habe ich den Teilnehmerinnen meines Online-Kurses „Gemeinsam wachsen“ gestellt.
Kommen dir einige der Antworten bekannt vor?

Ich habe oftmals mit dem Glaubenssatz: "Mein Kind respektiert mich nicht " zu kämpfen. In solch einer Situation fühle ich mich dann so "klein" & hilflos, dass ich leider nicht wie von mir so oft reflektiert & geübt handeln kann.

Ramona, ehe. Teilnehmerin des Online-Kurses „Gemeinsam wachsen“

Erst die Arbeit dann das Vergnügen. Ohne Fleiß keinen Preis. ... Ich kenne meine Mutter und meine Großeltern nur am Arbeiten. Wer arbeitet, verdient sich etwas, sei es Geld, Anerkennung, Lob und Liebe. Das haben sie mir nie direkt vorgehalten oder mich unter Druck gesetzt, aber es mir vorgelebt. Und es setzt mich jetzt unter Druck.

Sabrina, ehe. Teilnehmerin des Online-Kurses „Gemeinsam wachsen“

Indianer kennt keinen Schmerz; stell dich nicht so an; ohne Fleiß kein Preis; der frühe Vogel fängt den Wurm Obwohl es nicht meine Gegensätze sind, setzen sie mich unter Druck und unbewusst handel ich doch danach

Katrin, ehe. Teilnehmerin des Online-Kurses „Gemeinsam wachsen“

„Von nichts kommt nichts“, „wenn du was angefangen hast, musst du es auch zu Ende bringen“, „jetzt reiß dich mal zusammen“ ... das setzt einen schon ziemlich unter Druck und ich muss dann auch oft in mich hineinhorchen, warum ich grad in dem Moment so denke

Kristina, ehe. Teilnehmerin des Online-Kurses „Gemeinsam wachsen“

Ich wette du könntest diese Liste ewig weiter führen, genau wie ich das tue und dir in meinen #alltagstalkdonts zeige. (Für mich als Linguistin ist es auch immer eine echt spannende Aufgabe, die Botschaft und Intention dahinter aufzudröseln und zu untersuchen.)

Ein paar weitere interessanter Glaubenssätze stelle ich dir nun detailliert vor. 

Mädchen schaukelt

1. „Bald gibt es nur noch verweichlichte und verwöhnte Prinzen und Prinzessinnen“

Dahinter steht die Angst das Kind zu verwöhnen. Deshalb ist es „besser“, nicht auf die Bedürfnisse einzugehen.
Das Kind soll lernen, dass es zurückstecken müssen mit seinen Bedürfnissen (zum Wohl der Eltern und der Gesellschaft) und diese weniger wert sind.
Und vor allem eins: Dass ich mein Kind kontrolliere und zu Gehorsam erziehe. Damit es das tut, was ich will. 

  • Dass es jetzt aufräumt, weil ich das sage.
  • Dass es sofort vom Spielplatz mitgeht, weil ich das bestimme.

Das Ergebnis:
Aus Angst vor Strafen oder Liebesentzug wird dein Kind mitmachen.
„Mit dem Gehorsam geben wir unsere eigenen Gefühle und Wahrnehmungen auf. […] Die Unterdrückung des Eigenen löst Hass und Aggressionen aus.“ (Arno Gruen)


Das bedeutet, Kinder übergehen oder unterdrücken ihre eigenen Bedürfnisse, oder sogar ihre Persönlichkeit, wenn wir sie nur dazu erziehen auf uns zu hören.

2. „Du bleibst sitzen, bis du aufgegessen hast!“

Essen ist doch eigentlich etwas genüssliches, ein Zeichen der Liebe. Und doch birkt die Essensituation so viele Konflikte.
Wenn dein Kind jedoch weiß, dass es satt ist, und zum aufessen gezwungen wird, verliert es den Bezug zu seinen Gefühlen und Grundbedürfnissen!

Was genau steckt dahinter?
Erwachsene möchten, dass sich das Kind nach einem bestimmten Muster verhält und ‚benimmt‘. Am besten immer und ohne Widerworte. Kinder sollen hören, leise sein, nicht dazwischenreden. Sie sollen fragen bevor sie etwas tun. Eltern wollen oft um jeden Preis Kontrolle behalten.

Wie sieht es mit dem Bedürfnis des Kindes aus?
Sein Bedürfnis liegt nicht darin, dich zu stören, oder dich zu ärgern, auch wenn es dir vielleicht manchmal so vorkommt, wenn du etwas „schon hundertmal gesagt hast“.

Vielleicht willst du arbeiten, oder dich ausruhen, aber dein Kind quietscht unaufhörlich während es spielt. Dein Bedürfnis ist Ruhe, also fällt schnell mal ein Satz wie: „Sei doch mal leise, kannst du nicht normal spielen?“. Das Bedürfnis deines Kindes ist nicht, dich zu nerven, sondern seiner Freude beim Spielen Ausdruck zu verleihen. Es lebt und genießt einfach mit all seinen Sinnen.

Mutter und Mädchen am Tisch

3. „Eltern müssen streng sein und auch mal durchgreifen!“

Eine meiner Klientinnen schilderte mir aufgebracht diese Situation:
Sie holte, zusammen mit ihrer großen Tochter, ihr zweites Kind aus dem KiGa ab.

Als die Kleine ihre Mutter und Schwester sieht, kommt auf beide zugeschossen, schubst sie, schreit: „Geh weg!!“, wirft sich auf den Boden und „bekommt einen Wutanfall.“

Die Mama hat die Situation erkannt, ihre Tochter bei der Wut begleitet und später (!) mit ihr zusammen herausgefunden, warum sie so wütend war. Und dann kam der verletztende Satz von Außen:

„Ich würde mir das nicht so gefallen lassen, wie Ihre Tochter mit Ihnen da umgeht. Sie müssen strenger sein und auch mal durchgreifen!“

Das sitzt. Und es nagt. Diese „Erziehungsgedanken“, schüren die Selbstzweifel. Was ist, wenn sie recht hat?
Was ist, wenn ich mir da wirklich eine kleine Diva heranziehe?

Im Gespräch schauten wir uns die Situation noch einmal an. Ich konnte meine Mama stärken, ihr Sicherheit geben. Ihr Mut machen. Ihr noch einmal erklären, warum ihr Kind so handelte. Warum es NICHT ANDERS handeln kann. Wie sie solchen Situationen vorbeugt und vor allem eines: Argumente haben, um solche „an der Seele zehrende Fragen von Außen“ gut standhalten zu können.

Ja, die Idee „Verhalten“ gezielt zu ändern (Behaviorismus), „durchzugreifen“, das Kind für seinen Wutanfall und „den respektlosen Umgang mit der Mutter“ zu bestrafen, sitzt tief.

Damit erreiche ich jedoch nur eins: Ich arbeite an einem Symptom und erschaffe mir unterwürfige Kinder, deren Gefühle bleiben und sich beständig der Ausdruck verändert – KÖRPERLICH wie auch SEELISCH. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀!

4. „Besser sie gewöhnen sich daran. Das Leben ist kein Ponyhof.“

Das Leben ist also hart. Ungerecht. Voller Hindernisse.
„Es ist besser, dass die Kinder bald und früh in Kontakt mit der Härte des Lebens kommen.“
Ja wirklich?

Ich sehe das anders.
Ich glaube nicht, dass es produktiv ist, Kinder bewusst unangenehme Erfahrungen auszusetzen. Im Glauben, dass sie früh lernen würden, „wie schwer das Leben ist“.

Die Wissenschaft hat sogar das Gegenteil bewiesen: Selbstbewusstsein entsteht, wenn wir oft und viele erfolgreiche Erfahrungen machen! Nicht, wenn wir scheitern.
Die Idee von „Abhärten“ ist ein Teil eines Erziehungsgedankens bzw. eines Glaubenssatzes von Leuten, die diese Ansicht vertreten. Dabei ist das nur eine Teilwahrheit: Es gibt Momente, die herausfordernd sind, es gibt aber auch viel Leichtigkeit im Leben und eine ganze Menge dazwischen. Warum sollten wir Kinder dann hauptsächlich auf „konfliktreiche“ Situationen vorbereiten?

5. „Wir müssen uns als Paar gleich verhalten“

Ein immer wieder aufkommendes Thema – egal ob Einzel-, Gruppencoaching oder in einer wöchentlichen Q&A Runde meine Online-Kurses „Gemeinsam wachsen“:

Mein Partner macht „es“ (Erziehung, Umgang mit dem Kind, Alltag) anders als ich. 

Da ist so oft die Idee, dass beide gemeinsam immer dieselben Ansichten haben müssten, dass sie sich stets einig sein sollten.
Wenn dem so wäre, was wäre denn dann? Dann hätte dein Kind zweimal -wirklich- verloren:

1. Verlust: Den Menschen 

In dem einer von beiden den anderen stützt, des Prinzips wegen, dabei in eine Rolle schlüpft („ich bin jetzt so, damit wir…“) und dadurch dem Kind nicht zeigt, wer wirklich dieser Mensch da ist, mit dem er es zu tun hat.⠀⠀⠀⠀⠀⠀

2. Verlust: Das Kind zieht immer dann den Kürzeren.

Denn: Die Eltern schließen sich wie eine Front zusammen gegen das Kind. Zwei gegen eins.

Es wird in jeder Argumentation verlieren, gegen „Wände fahren“. Und wenn es dann vielleicht endlich einen Bruder oder eine Schwester gibt, werden Kinder sich ggf. verbünden – gegen ihre Eltern. Die Eltern werden dann irgendwann zum Gegner, den es zu bekämpfen gilt…
Nein, Eltern sind nicht gleich und haben nicht immer dieselbe Meinung. Sie können gar nicht gleich sein, weil sie zwei unterschiedliche Geschlechter, Individuen sind mit eigener Historie!

  • Papa darf in der Papa-Kind-Beziehung Dinge anders machen und sehen.
  • Mama darf in der Mama-Kind-Beziehung Dinge anders machen und sehen.

Das Kind lernt genau dann: Meine Eltern sind zwei verschiedene Menschen.

Es geht nicht um „ich mach es richtig (und du falsch)“ oder „so geht es richtig in der Erziehung (und so nicht)“, sondern in erster Linie um die Haltung zueinander.

Um die gemeinsamen langfristigen Ziele miteinander.

Grimmig blickende Frau

6. „Ich weiß, was gut für dich ist. Du wirst es mir danken!“

Dieser Satz ist in der Regel die Rechtfertigung für das, was Eltern zu ihrem Kind gesagt, mit ihnen gemacht oder für sie entschieden haben. Meistens kommt also noch eine Begründung davor, wie:

„…Du tust, machst dies oder jenes, so, wie ich das sage. Keine Diskussion, ich weiß, was gut für dich ist. Du wirst es mir später danken!“
Des Pudels Kern ist die Rechtfertigung des Verhaltens einerseits und die Vorstellung der Elternrolle andererseits.

Es weißt auf das Verhältnis zwischen Eltern und Kind hin, im Sinne von „Ich bin erfahren, größer, stärker“ und „du bist noch ein Kind, kennst die Welt ja nicht.“

Wissen wir wirklich, was „gut“ für unser Kind ist?

  • Ob der Freund oder die Freund „gut“ für das Kind ist?
  • Ob es „gut“ ist, dass das Kind heute dies oder jenes anzieht?
  • Ob es „gut“ ist, dass es dies oder jenes isst?

Bei diesem Erziehungsgedanken geht es viel um Kontrolle und die Macht der Eltern, ihre Vorstellungen, Ideen und Gedanken durchzusetzen. Über das Kind hinweg.

Es bleiben jedoch die Fragen offen:

Was genau hat das Kind dann in diesem Moment gelernt?

  • Es hat gelernt, dass es von selbst nicht zu einer Lösung kommt.
  • Es hat gelernt, dass es selbst ggf. nicht entscheiden oder sogar gar kein Mitspracherecht hat.
  • Es hat gelernt, dass es „zu dumm“ ist selbst auf eine Lösung zu kommen.
  • Es hat gelernt, dass es in Abhängigkeit bleibt.
  • Es hat gelernt, dass es „klein“ ist.
  • Es hat gelernt, dass es in Ordnung ist auf eine Art und Weise zu handeln, die möglicherweise in der Zukunft eine Auswirkung hat, die das jetzige Verhalten rechtfertigt

Glaubenssätze finden und verändern

Fragst du dich jetzt: Woher weiß ich, was ein Glaubenssatz ist, wie er sich auf mein Kind auswirken kann und was dahintersteckt? Vielleicht möchtest du gewisse Glaubenssätze sogar verändern?
Die Antwort ist so simpel wie schwierig: Hinterfrage dich. Höre genau hin, welche Aussagen du deinem Kind gegenüber immer wieder machst und welche Gedanken dich da treiben!

Was sind Aussagen deiner inneren Stimme? Was steckt hinter deinen Sätzen? Welche davon hast du als Kind gehört? Was ist dein Bedürfnis in diesem Moment? Was ist das Bedürfnis deines Kindes?

Es gibt keine allgemeingültige Regel was richtig und was falsch ist, denn verschiedene Situationen erfordern unterschiedliches Agieren. Wichtig ist, dass du reflektierst: Warum reagiere ich so und was gebe ich meinem Kind dadurch mit auf den Weg?
Was macht das mit der inneren Stimme deines Kindes?

Positive Glaubenssätze finden 

Um deine Glaubenssätze zu ändern, benötigst du neue Erfahrungen, die du in deinem Gehirn speicherst.
Beweise, dass es eben „nicht“ so sein muss, wie du denkst.  

„Whatever the mind can conceive and believe, it can achieve.“(Napoleon Hill) 

Du musst wirklich davon überzeugt sein, dich im Alltag bewusst an das „Neue“ erinnern und Wiederholung zulassen.

Ja, es geht darum wirklich zu verstehen.

Dein Weg

Ich weiß, dass alles ist gar nicht so leicht zu durchschauen, dich und deine Gedanken zu verändern. Besonders dann nicht, wenn der Alltag ist, wie er nun mal ist.

Welche deiner Gedanken sind wahr und welche sind Mythen aus deiner Kindheit?
Lass uns gemeinsam herausfinden, was du an deine Kinder weitergeben möchtest und im Alltag anwenden kannst.

Was willst du deinem Kind mitgeben?
Was wünschst du dir, wie sich dein Kind fühlen soll?
Welche Gedanken soll dein Kind über sich selbst haben?
Und wie schaffst du das? 

Das alles ist ein Prozess und geht nicht von heute auf morgen. Aber es ist möglich Schritt für Schritt umzudenken.
Es geht schließlich in der Beziehung darum, dich und dein Kind zu verstehen und schließlich euren Alltag leichter zu gestalten.

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