Beziehung

Komm na her! Zeig doch, was du kannst!

von Manuela

Darum sollten Kinder miteinander kämpfen, raufen, rangel oder ringen

Raufen, rangeln, kämpfen – wieviel erlaube ich meinem Kind? Diese Frage stellen sich viele Eltern. Oft geschieht das aus einer Sorge heraus.

Ich kann dich beruhigen: Dass Kinder Kräfte messen ist ganz normal in nahezu jedem Alter. Du brauchst keine Angst davor zu haben, oder es gar verbieten. Viel wichtiger ist, das Ganze in einem geschützten Rahmen geschehen zu lassen. Wie das gehen kann, warum Kräfte messen so wichtig ist und was du tun kannst, wenn dein Kind seine Wut durch Hauen ablädt, erfährst du im heutigen Artikel.

Kinder verstehen: Warum kämpfen sie eigentlich?

Wenn wir als Erwachsene Situationen beobachten, in denen unsere Kinder kämpfen und sich rangeln kann das manchmal Ängste triggern. „Ist mein Kind zu aggressiv? Ist das ’normal‘?“. Oder auch: „Müssen die Kinder ständig streiten und dann wie irre raufen?“
Erstmal möchte ich dich beruhigen.
Kinder, und zwar Jungs, wie auch Mädchen messen ihre Kräfte gerne. Das gehört zu ihrer Entwicklung dazu. Sie tun das unter anderem um 

  • sich zu behaupten
  • ihre eigene Stärke zu fühlen
  • sich zu spüren
  • sich selbstwirksam zu erfahren
  • sich lebendig zu fühlen
  • das eigene Geschick kennen zu lernen und zu erweitern
  • sich zu vergleichen: Wo stehe ich?

Sie tun das aber auch, um ihren Gefühlen, meistens der Wut, Frustration oder Ärger, Ausdruck zu verleihen und dadurch Druck herauszulassen von dieser angespannten Energie (Anspannung).

Beide Aspekte stelle ich dir nun vor.

Kämpfen ist nicht nur was für Jungs

Auch bei meinen Töchtern kann ich das beobachten. Sie messen sich gegenseitig mit den Händen, drücken sich weg und schauen, wer stärker ist. Dabei grinsen sie, denn sie haben Spaß daran.

Vielleicht hast du schonmal beobachtet, dass es bei Jungs manchmal etwas „doller“ zugeht.  Sie „kämpfen“ richtig, tollen herum und rollen sich dabei über den Boden.
Alle Varianten haben ihre Daseinsberechtigung. Davor musst du keine Angst haben und das muss auch nicht direkt eine große Sorge bei dir auslösen.

Die meisten Kindern machen das gerne, weil sie sich dadurch behaupten können.

  1. Sie entdecken ihre eigene Stärke und fühlen sich selbst: „Wieviel Kraft habe ich eigentlich?“
  2. Sie zeigen sich geschickt und wirksam: „Wie kann ich den anderen schieben oder drücken?“
  3. Sie entwickeln ein Gefühl ihren Körper: „Wohin muss ich mein eigenes Gleichgewicht legen? Wie drücke oder schiebe ich am Effektivsten?“.

Es geht ihnen dabei meistens gar nichts ums Gewinnen, auch wenn das für uns Erwachsene häufig so aussieht.

Für Kinder bedeutet diese Form der körperlichen Aktivität noch nicht der Konkurrenzkampf wie wir ihn kennen.
Deshalb meine Bitte an dich: Unterbinde dieses Rangeln nicht, solange sich keiner verletzt und die Situation „bösartig“ kippt.

Junge mit Boxhandschuhen

Die Rolle des Papas oder männlichen Bezugsperson beim Raufen & Kämpfen

Zuerst möchte ich darauf eingehen, dass Jungs und Mädchen unterschiedlich rangeln. Bei Jungs kann sich dieser Drang eher verstärkter zeigen, als bei Mädchen (Ausnahmen bestätigen hier die Regel).

Das liegt an einem bestimmten Hormon, nämlich dem Testosteron. Natürlich gibt es auch Frauen die (überdurchschnittlich) viel Testosteron haben. Generell sind Männer und Frauen aber hormonell für unterschiedliche Dinge ausgelegt, die recht offensichtlich sind. Frauen können beispielsweise Kinder kriegen, Männer nicht. 😉

Die Sache mit dem Testosteron

Prinzipiell haben Jungs mehr Testosteron und setzen dies in bestimmten Lebensabschnitten in Schüben frei. Dieses Hormon lässt den Bart wachsen, die Stimme tiefer werden uvm. Testosteron hat außerdem Auswirkungen auf die Aggressivität und den Sexualtrieb.

Dazu gibt es Studien, die mit männlichen Affen durchgeführt wurden. Hier hat der stärkste Affe den höchsten Rang. Spritzt man einem unterlegenen Affen Testosteron fühlt sich dieser animiert, um die hohe Rangfolge (und um die Weibchen) zu kämpfen.

Bei Jungs spielt das Raufen eine ähnliche Rolle, weil sie sich messen und evtl. einen „Ranghangeltrieb“ haben – der ganz individull unterschiedlich stark ausgeprägt ist!

Da in der Mehrheit der Literatur jedoch kein wesentlicher Unterschied im Testosterongehalt von Jungs und Mädchen ab dem 1. Lebensjahr bis zur Pubertät zu verzeichnen ist, ergänzt Lise Eliot (Professorin für Neurowissenschaften) in ihrem Buch „Wie verschieden sind sie“:

Viele Forschungsbefunde bestätigen, dass der ruppige, aktiviere Spielstil von Jungen mit der pränatalen Einwirkung von Testosteron zu tun hat. […] Vor einigen Jahren prüfte Simon Baron-Cohens Team, inwieweit ein Zusammenhang zwischen dem Testosteronspiegel in Fruchtwasserproben und den Spielinteressen und dem Aktivitätsgrad der Kinder mit fünf Jahren bestand. Die Testosteronwerte in den Proben waren bei den Jungen im Durschnitt zweieinhalb mal so hoch wie bei den Mädchen, jedoch […] bleibt offen, ob der pränatale Testosteronspiegel Einlfuss auf individuellen Unterschiede in der Wildheit des spielerischen Balgens und Raufens hat.

Ja, es gibt noch viele Fragen. Wie dem auch sei:
Die körperliche Auseinandersetzung und das Bedürfnis nach motorischer Aktivität hilft den Jungs in ihrer Entwickelung: Muskeln werden aufgebaut, überschüssige Energie abgebaut, sie lernen zu verhandeln, Bündnisse zu schmieden, sich an Spielregeln zu halten.

Der Papa (oder die männliche Bezugsperson, das Geschlecht, mit dem sich der Junge identifiziert) nimmt hier eine besondere Vorbild-Rolle ein und kann seinem Sohn zeigen, ‚wie das geht‘, das Kämpfen.

Papa und Sohn mit Boxhandschuhen

Impulskontrolle durch präventive Kämpfe mit Papa 

Wenn du also einen Sohn hast: motiviere deinen Mann mit ihm präventiv zu raufen!
Für Jungs (wie auch für Mädchen) ist es wichtig zu wissen, wo sie stehen, sich selbst zu fühlen und ihre eigene  Stärke zu spüren.

Jungs lernen während des Raufens in Kontakt mit und durch Papa sich zu stoppen.

Hierbei geht es um das Thema Selbstbeherrschung. Das ist ein immens wichtiges Thema, das Jungs früh lernen sollten. Jungs wie Mädchen dürfen Spaß beim Raufen haben. Sie dürfen laut sein, vielleicht sogar wütend oder traurig, weil sie merken, dass das Gegenüber stärker ist. Wichtig ist, dass sie lernen, hierbei (Spiel-)Regeln zu definieren und diese einzuhalten.

Im Spiel mit dem eigenen Papa geht das besonders gut.

„Wenn du mich da haust, dann tut mir das weh. Wir machen eine Regel: Drücken und schlagen ist nur an diesen Stellen erlaubt. Schaffst du das?“ Dann können die Jungs sagen: „Ja, ich schaffe das!“

Hierbei geht es um Kommunikation. Somit können sie Grenzen erfahren, Selbstbeherrschung lernen und aufhören lernen, wenn es weh tut. Das ist besonders wichtig: Sie lernen in sicherer, geschützter, vertrauter Umgebung und im Spiel ihre Impulse zu kontrollieren!

 

Selbstbeherrschung für’s spätere Leben

Die vorher erwähnten Testosteronschübe sind ausschlaggebend für den Sexualtrieb und die Aggression, auch später im Umgang mit Frauen.

Jungs können von klein auf lernen, was Stopp bedeutet, wie sie sich und ihre Emotionen beherrschen und unter Kontrolle haben können.

Häusliche Gewalt ist ein häufiges Thema in Familien und wenn Frauen sich nicht trauen Themen anzusprechen aus Angst vor der Aggression ihres Partners ist das keine sichere und liebevolle Beziehung (auch nicht für die Kinder).
Lernen Jungs von klein auf, sich zu kontrollieren, können sie im frühen Alter durch das spielerische Raufen einen großen Gewinn haben für ihr späteres Leben. Sei es mit dem Papa, mit dem Trainer im Sportverein, oder mit andern Jungs.

Persönliche Grenzen (die sie nicht übertreten dürfen) und klare (Spiel-)Regeln sind hierbei das Stichwort. Tatsächlich ist das ein großes Geschenk für den Jungen je älter er wird, denn er lernt früh, sich unter Kontrolle zu haben. Besonders im späteren Kontakt mit Frauen ist das später immens wichtig!

Jungs im Schwitzkasten
Kinder kämpfen im Spiel

Wenn Kinder aus Wut zuhauen 

Das zweite Beispiel sind Kinder, die offensichtlich „absichtlich“ zuhauen und sich aggressiv verhalten.
Was ist also los, wenn Kinder raufen, es aber nicht mehr nach Spielen aussieht?

Auch in Kindern staut sich (wie bei uns Erwachsenen) Wut auf. Das kann sich wie ein innerer Druck anfühlen, der sich Wege nach außen sucht.

Diese Spannung zu entladen funktioniert körperlich recht gut bei Wut. In meinem Mentoring-Programm „Gemeinsam wachsen“ ist das ein großes Thema. Dort schauen wir uns die Elternwut und die Kinderwut an.

Wir alle müssen unsere Wut also entladen. Es kann sein, dass es Kinder gibt, die bewusst und aktiv versuchen, ihren Druck gegenüber anderen Kindern raus zu lassen, indem sie z.B. im Vorbeigehen jemanden anrempeln, oder schubsen. Ihr innerer Druck muss raus, denn Bedürfnisse sind nicht erfüllt.

Es fühlt sich möglicherweise verletzt und weiß keine andere Möglichkeit sich auszudrücken, weil es noch keine andere Möglichkeit dafür kennt! Es ist noch nicht so weit entwickelt ‚anders‘ zu reagieren oder hat noch keine andere Reaktionsmöglichkeit kennengelernt. Mehr über die Wut bei Kinder findest du hier.

Woher kommt dieser Druck?

Er kann natürlich verschiedensten Ursprungs sein:

  • Von Anforderungen in der Schule, die Druck machen und Erwartungen mit sich bringen.
  • Von einem erwarteten Verhalten im Kindergarten, oder Zuhause, wenn das Kind aber überfordert mit der Situation ist, das aber noch nicht äußern kann.
  • Wenn Kinder jeden Tag Termine haben, statt auch mal das Freispiel, oder Pausen genießen zu können. Dieser Druck kann die Kinder innerlich erDRÜCKEN.

Druck entsteht also häufig dann, wenn Spannung und Entspannung nicht in Balance sind.

Bei uns Erwachsenen ist es oft so, dass unser Körper uns zeigt, wenn wir Druck zu lange in uns halten. Beispielsweise durch Kopfweh, Rückenschmerzen und all die anderen unschönen Dinge.
Kinder sind da noch viel körperlicher und so viel weiser, als Erwachsene: Sie halten den Druck nicht in sich (was Erwachsene tun), sondern lassen ihn direkt raus, damit „die Energie“ fließt, der Körper wieder ins Gleichgewicht kommt.

Manchmal in Form von Aggressivität (Schubsen, zwicken, etc.), manchmal in Form von Schreien, manchmal in Form von „Erstarren“. Egal wie, sie laden ihren Druck ab, um sich zu erleichtern.

Innerer Druck entsteht bei Kindern in oben genannten Situationen, wenn sie das Gefühl haben sie sind nicht gut genug. Wenn sie Erwartungen nicht erfüllen können, oder mit Situationen nicht umzugehen wissen und dafür gemaßregelt werden. Das sagt ihnen „So wie ich bin, bin ich nicht in Ordnung“.

Dieser Druck kann zu einer richtigen Belastung werden.

 

Was kannst du tun?

Erlaube deinem Kind den Druck abzulassen.

Wenn du beispielsweise ein Kind hast, das immer aggressiv ist (oder das zumindest so interpretiert wird), dann gehe ins Gespräch mit deinem Kind. Stichwort hier ist das aktive Zuhören!

Du könntest z.B. etwas sagen wie: „Sag mal, wenn du so schubst merkst du, dass du stark bist, oder?“. Vielleicht sagt das Kind ‚Ja‘. Dann kannst du es einladen, den Druck spielerisch rauszulassen und so ‚umzuleiten‘.

Genau hier knüpft wieder das Raufen mit Regeln an. Papa darf da gerne mit einbezogen werden und dem Kind helfen, den Druck rauszulassen. Denn als Erwachsene sind wir in der Lage, gezielt Gegendruck herbeizuführen. Damit kannst du deinem Kind helfen, Dampf abzulassen.

Es geht darum, diese Spiele bewusst anzuleiten und zu fördern. Das bedeutet nicht, dass du dein Kind aus dem Nichts heraus provozierst oder ähnliches – es sei denn, es ist ein Spiel, das beide Seiten als solches erkennen!

Es geht vielmehr darum, dein Kind durch seine Gefühle zu begleiten und ihm Wege zu zeigen, um sie auszuleben. Damit dein Kind sich durch das Spiel selbstwirksam fühlen und sich auch so verhalten kann.

Jungs die kämpfen

Fazit

Kämpfen, Rangeln, Raufen, Ringen oder Ringeln – you name it. All das ist in Maßen wichtig und wichtig.
Was Kinder brauchen hier ist Anleitung, Spielpartner einerseits sowie Platz, Raum, Entfaltungsmöglichkeit für sich selbst andererseits.

Kämpfen, hauen, zwicken, beißen Kinder aufgrund von angestauten Emotionen, dann ist der Blick in die Tiefe wichtig und damit deine Hilfe, diese Emotionen auf anderen Weg zu entladen und die Ursache für die Wut zu erkunden.

Wenn du dir Unterstützung und Begleitung dafür wünschst, dann setze dich jetzt auf die Warteliste zu meinem Mentoring-Programm „Gemeinsam wachsen“ oder komm direkt in das nächste Gruppencoaching für gewaltfreie Konfliktlösung.

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