Beziehung
Sprache und Kommunikationvon Manuela
Was tun wir eigentlich, wenn wir sprechen?
Die Frage wirkt so einfach und doch ist sie so komplex und vielschichtig.
Natürlich könnte man sagen, man unterhält sich, man diskutiert, man tauscht Informationen aus oder man kommuniziert. Aber ist es wirklich nur das? Ist es das, was Sprache einzigartig macht?
Was ist Sprache?
Die Linguistik untersucht Sprache in seiner Form und Funktion bis ins kleinste Detail – synchron und diachron (Sprachveränderung, Sprachwandel, Sprachherkunft).
Die Linguisten schreiben, analysieren, definieren und untersuchen zwar auch Grammatiken und Wörterbücher, vielmehr erforschen sie aber die historische Entwicklung und die Erscheinungsformen von Sprachen in den Gesellschaften.
Sie vergleichen Sprachen, blicken auf die historisch-kulturelle Vielfalt und untersuchen den Spracherwerb des Kindes (Sprachpsychologie).
Ein großes Gebiet ist außerdem die Erforschung der Funktion von Sprache – die Kommunikation.
Sprache verstehen geht nur disziplinübergreifend
Die Sprachwissenschaften arbeiten eng mit anderen Wissenschaften und Disziplinen zusammen:
Zum Beispiel
- mit der Biologie zur Untersuchung der Evolution von Sprachfähigkeit des Menschen,
- mit der Neurologie, um die Funktion von Sprache im Gehirn zu erforschen,
- mit der Literaturwissenschaft, um herauszufinden, wie und warum ein Dichter Sprache in einer bestimmten Form verwendet.
Um das „Miteinander“, den menschlichen Umgang, im Blick zu haben, ist der enge Kontakt
- mit der Soziologie,
- mit der Psychologie und
- mit den Erziehungswissenschaften (diese Teildisziplin ist die Soziolinguistik), um die Bedeutung von Sprache und den Sprachgebrauch in verschiedenen sozialen, kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Gruppen zu verstehen, wichtig.
„Der Mensch ist nur Mensch durch Sprache.“ (Wilhelm von Humboldt)
Mithilfe von Sprache wollen wir etwas erreichen
Fakt ist: Unsere Sprache ist ein echtes Werkzeug, das uns ermöglicht, bestimmte gedankliche Konzepte, Inhalte, Vorstellungen oder Bedeutungen zu artikulieren und somit einem Anderen etwas über die Welt – bzw. meine Realität – mitzuteilen. Mithilfe von Lautsequenzen, also Äußerungen, in denen wir immer auch Hinweise auf uns selbst und unsere Seelenlage, unser Inneres geben, möchten wir aber nicht nur objektiv etwas über die Welt mitteilen, sondern vielmehr etwas bezwecken.
Und genau hier wird es interessant:
Unser Gegenüber soll verstehen, was wir mit unserer Äußerung intendieren und soll seinerseits wieder darauf reagieren.
Sprache hat also einen Nutzen, ich möchte mit dem, was ich sage und so, wie ich mich nonverbal verhalte, etwas erreichen.
Ich möchte so zum Beispiel über mich, meine Gefühle, Wünsche, Träume, Bedürfnisse, Erfahrungen sprechen, Informationen austauschen oder etwas herausfinden und erwarte dabei eine Reaktion darauf von meinem Gegenüber. All das geschieht verbal (durch Worte) oder auch non-verbal (durch Gestik, Mimik, Körperhaltung).
Im Übrigen: 80% unserer Botschaften, die wir senden, sind non-verbaler Natur…
Nun, das klingt alles erst mal nicht so überraschend, oder?
Es wird nur dann trickreich, wenn wir mit unseren Äußerungen plötzlich nicht weiterkommen, nicht das erreichen, was wir wollten…
Sprache bzw. Kommunikation kann uns also verbinden oder trennen.
Du merkst schon – das „Konstrukt Sprache“ ist gar nicht so einfach – sondern vielfältige, komplexe und vor allem individuell.
Im Miteinander verstehen, was hinter dem Gesagten steckt
Es ist bei der Sprache und vor allem bei der Kommunikation oft so wie bei der Thematik mit den Bedürfnissen: „Was will mein Kind, mein Gegenüber, das sich so oder so verhält, damit sagen? Welches Bedürfnis möchte mein Gegenüber mit seinem Handeln erfüllen?“
Von der Pragmalinguistik zur Kommunikation
Ein Teilgebiet der Linguistik ist die Pragmatik bzw. Pragmalinguistik (Etymon griech. pragma für Tun, Handeln) – die Lehre vom menschlichen Handeln mit Sprache. Sie beschäftigt sich grob gesagt, mit dem, was „zwischen den Zeilen“ steht, das heißt mit den wahren Bedeutungen von Sätzen oder Dialogen, wie sie zuhauf in der Alltagssprache vorkommen.
Hierzu gehören die Konversationsanalyse, die das Miteinander-Sprechen sowie die Regeln von Übernahme und Übergabe eines Rede-Beitrags (turn-taking) untersucht. Sie zeigt,
- wie Sprecher und Hörer sich strategisch in ihrer Konversation verhalten und
- wie einzelne Sprechakte (also super kurze Dialoge, per definitionem sind sie die kleinste sprachliche Einheit mit einer kommunikativen Funktion) aussehen.
Die Autoren John Langshaw Austin und John Searle, die als in den 1950er bis 1980er Jahren als Begründer dieser der Sprechakttheorie gesehen werden können, gingen der oben erwähnten Frage, Was tun wir eigentlich, wenn wir sprechen? nach. Sie untersuchten unter andrem auch die Verwendung von philosphisch relevanten Wörtern und Ausdrücken wie sein; sollen; ich glaube, dass…; ich weiß, dass … usw. aus der einfachen Alltagssprache um dadurch philosophische Erkenntnis zu erlangen.
Das „dahinter“ erlernen wir müßig!
Austin und später Searl erkannten, dass man mit Äußerungen verschiedene sprachliche Handlungen vollzieht und diese mithilfe bestimmter Verben explizieren kann.
So kann man beispielsweise jemanden bitten, drohen, auffordern, predigen, grüßen oder taufen:
- „Ich möchte dich um etwas bitten:…“ oder
- „Ok, dann drohe ich dir jetzt eben!“ oder
- „Ich fordere dich hiermit auf,…“
Ich kann das aber auch tun, ohne diese Verben zu nutzen in dem ich zum Beispiel sage:
- „Wenn du jetzt nicht gleich, dann…“ (Drohung)
- „Wie oft soll ich dir noch sagen, dass…?“ (Forderung, siehe unten)
- „Ich hab dir doch gesagt, dass…“ (Predigen)
Und das kommt dir jetzt wieder ganz bekannt vor, richtig?
Der erwachsene Hörer dieser Äußerung hat in der Regel ein präzises Wissen über diese unterschiedlichen Handlungstypen. Das zeigen vor allem Nachfragen wie „War das jetzt eine Bitte?“, „Willst du mir wohl drohen?“, „Das ist ja eine Erpressung!“.
Nur Kinder – die haben diesen Wissen noch nicht!
Sie wissen also noch nicht, wann man in verschiedenen Kontexten „bitte“ oder „danke“ sagt, wann man gewisse sprachlichen Elemente wie kommunikativ und strategisch einsetzt, um zum Ziel kommen.
Sie erlernen erst müsig in vielen vielen Dialogen, in (Alltags-)Konflikten, durch trail and error ihrer eigenen Äußerungen und dem, was ihren Eltern und den Menschen in ihrer Umgebung zu ihnen sagen und schließlich reagieren, was diese „bedeuten“.
Wie funktioniert Kommunikation?
In einer Kommunikation braucht es zwei Parteien: Einen Sender und einen Empfänger.
Der Sender möchte also etwas mit dem, was er verbal wie non-verbal „sagt“, bezwecken. Er transportiert eine Botschaft, die der Empfänger (der Hörer) entschlüsselt.
Wenn es also möglich ist, die Botschaft zu decodieren, wird aus dem dem Empfänger der Sender – ein Gespräch entsteht.
Kommunikationsforscher Paul Watzlawik definiert folgende 5 Axiome der Kommunikation, die als Grundbausteine und Regeln der Kommunikation gültig sind:
- Man kann nicht nicht kommunzieren.
- Jede Kommunikation hat sowohl einen Inhalts- als auch einen Beziehungsaspekt.
- Kommunikation ist ein kreisförmiger Prozess, es gibt keine Ursache oder einen Anfang.
- Zwischenmenschliche Kommunikation findet sowohl digital (also verbal durch Wörter, Syntax etc.) als auch analog (das heißt nonverbal durch Gestik, Mimik, Stimmlage etc.) statt.
- Kommunikation ist abhängig von der Beziehung der Teilnehmer. Bei symmetrischer Kommunikation sind die Beteiligten auf einer Ebene, bei der komplementären auf unterschiedlichen Ebenen (z.B.: Eltern – Kind, Lehrer – Schüler).
Es ist also doch nicht einfach nur „etwas gesagt“.
Kommunikation ist komplex
Wie verzwickt Kommunikation ist, zeigt diese Beispiel:
Elternteil: „Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du dein Zimmer aufräumen sollst?“ –
Kind: „Noch vier Mal, bitte.“
Oder
Elternteil: „Kannst du mir mal bitte das Salz geben / das Fenster schließen.“
Kind: „Ja, kann ich.“
Oder
Elternteil: „Kannst du nicht mal aufpassen?“
Kind: „Nein, kann ich nicht.“
sind eben sogenannte Sprechakte, die missglücken.
Nach semantischer Interpretation ergeben die Dialoge zwar Sinn, für einen Muttersprachler der deutschen Sprache jedoch ist sofort klar, was zum Beispiel im ersten Dialog wirklich steckt:
- Das Elternteil stellt dem Kind natürlich keine „echte“ Frage, in der sie Information über die beschriebene Art haben möchte, sondern fordert es auf, sein Zimmer aufzuräumen.
- Die Frage des Erwachsenen intendiert dabei nur, dass sie ihre Aufforderung schon öfter ausgesprochen hat und nun erwartet, dass Taten des Kindes folgen. Man bezeichnet dies auch als einen indirekten Sprechakt.
Also:
Es scheint, als wäre es eine Frage.
Es ist aber eine Forderung, die freundlich getarnt ist.
In dieser Forderung stecken Erwartungen.
Die Antwort des Kindes mit dem Zusatz der Höflichkeitsform bitte kann bei der Mutter als „unverschämt“ ankommen und ist als Zurückweisung der Aufforderung zu interpretieren.
Ein Konflikt ist in diesem Fall vorprogrammiert.
Wann misslingen Kommunikationen noch?
Es gibt viele Aspekte, die die Kommunikation stören können. Dazu gehören zum Beispiel Situationen, in denen die Botschaft aufgrund von Wissen nicht entschlüsselt werden kann. Also Sender und Hörer zum Beispiel nicht dieselbe Sprache sprechen.
Auch ungünstige äußere Bedingungen beinträchtigen das Miteinander. Das geschieht, wenn der Empfänger den Sender akustisch nicht versteht, z.B. laute Hintergrundgeräusche das Verständnis erschweren. Der Linguist sagt dann „der Kanal rauscht“.
Auch können Ursachen für das Misslingen auf Seiten des Sender liegen, z.B. wenn doppelte Botschaften oder Verallgemeinerungen vorliegen oder bewusst „zu wenig“ oder „zu viel“ Information gegeben wird.
Auch Störung auftreten, wenn der Empfänger etwas hört (vgl. Vier-Ohren-Modell), was der Sender so gar nicht gesagt hat, die Aussage viel Raum lässt für Interpretationen, die widerum tagesform anhängig sind.
Es macht einen großen Unterschied, was beim Empfänger ankommt und wie er mit der Botschaft, die er hört, umgeht:
Nimmt er sie einfach nur wahr?
Entstehen plötzlich Gefühle?
Interpretiert er sie aufgrund der Gedanken, die ihn da ereilen?
Ich denke es wird deutlich, dass die Rückmeldung (oder Feedback) des rein Gehörten an den Sender das Mittel der Wahl ist, um Missverständnisse in der Kommunikation entgegen zu wirken.
Wie kann Kommunikation gelingen?
Kommunikation und Sprache sind irre komplex, das ist dir spätestens jetzt bewusst geworden, oder?
Es gibt so viele Punkte, an denen wir trotzdem ansetzen können, um das Miteinander unmissverständlich zu gestalten. Dazu gehören auf jeden Fall:
- Klare und effektive Botschaften, verbal wie non-verbal, in denen man sagt, was man ehrlich und authentisch meint, fühlt, sieht, beobachtet
- (aktives) Zuhören ohne zu beurteilen
- Vertrauen in der Beziehung
- Akzeptanz und Respekt füreinander
Die gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg gibt hier eine Richtung vor, um Kommunikation gelingend zu gestalten.
Das Sozialste was du sagen kannst: <Ich>
Wir denken, es wäre egoistisch und egozentrisch, vom <Ich> zu sprechen. Einem zu sagen, was man fühlt, wie es einem geht, was man denkt. Wir denken, wir würden uns damit in den Mittelpunkt stellen.
Doch genau das Gegenteil ist der Fall.
<Ich> sagen, ist das Wertvollste, was wir tun können.
Wenn ich von mir spreche, kann ich mein Innerstes äußern. Mit meiner ganzen Persönlichkeit, mit meinem Wesen, so wie ich bin – mal gut gelaunt, mal schlecht gelaunt, mal traurig, mal fröhlich.
Erst, wenn ich von mir spreche, kann mein Kind verstehen, wer diese Person eigentlich ist, diese Mama. Wenn mich mein Kind kennt, wenn es weiß, welche Werte ich habe, welche Wünsche ich habe, was mir wichtig ist.
Wenn ich <Ich> sage, meine eigene Integrität zum Ausdruck bringe, dann erkennt mein Gegenüber, wer ich genau in diesem Moment bin.
Wenn ich mich persönlich öffne, dann lade ich alle um mich herum ein, mich kennen zu lernen und mir auf authentische Weise gegenüber zu treten.
Wenn ich <Ich> sagen kann, weiß mein Kind, woran es ist. Alle Verantwortung bleibt bei mir. ICH fühle so, jetzt.
Meine ehrlich und liebevolle Rückmeldung gibt Sicherheit. So entsteht Vertrauen.
Und das ist überhaupt die Beste Basis für ein respektvolles Miteinander.
Weiterführende Literatur
Austin, John Langshaw, 2002, Zur Theorie der Sprechakte, dt. Bearbeitung von Eike von Savigny, Stuttgart
Ernst, Peter, 2002, Pragmalinguistik – Grundlagen, Anwendungen, Probleme, Berlin / New York
Levinson, Stephen C., 2000, Pragmatik, übersetzt von Wiese, Martina, Tübingen, 3. Auflage
Rosenberg, Marshall (2001): Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. Paderborn: Jungmann.
Trabant, Jürgen (2009): Die Sprache. München: C.H. Beck
Watzlawick, Paul / Beavin, Janet H. / Jackson, Don D. J (2011): Menschliche Kommunikation. Formen Störungen Paradoxien. Bern