Beziehung

Warum uns unsere Erziehung prägt

von Manuela Festl

Wie du den Weg zur Beziehung gehen kannst

Die „Erziehung“ kann keiner von uns hinter sich lassen. Erziehung, seine Mythen und vor allem auch Methoden sind tief und fest in uns verwurzelt, über mehrere Jahrzehnte hinweg.  Auch ich „erwische“ mich, bzw. meine in mir sitzenden Glaubenssätze, immer wieder. Zum Beispiel in meiner ersten Yoga-Stunde:

Ein Kindergarten-Papa macht gerade die Ausbildung zum Yogalehrer und gibt Yogastunden zum Üben. Seine beiden Kinder (5 und 3 Jahre) waren auch da. Sie spielten die ganze Zeit, in meinen Augen (sie sprachen japanisch miteinander) vollkommen zufrieden und glücklich.
Am Ende des Kurses unterhielt wir uns und ich will gerade sagen – es lag mir wirklich auf den Lippen – „und deine zwei Kinder, die waren ja auch so brav“, als ich über meinen eigenen Satz im Kopf stolpere und innerlich zu Stein wurde.
Da war es wieder – das in mir schlummernde Bild vom „braven“ Kind; ein Objekt, das funktionieren soll, weil wir denken, dass es so unsere Gesellschaft erwartet! Das Kind soll bitte bitte brav, also still und leise sein, nicht auffallen und somit den Yoga-Papa in Ruhe lassen, damit er den Kurs halten kann. Ach so, ja, und nicht stören, damit die Teilnehmer*innen des Kurses in ihren Übungen nicht unterbrochen werden von „Kindern“.
Erst kommen die Bedürfnisse der Erwachsenen, dann die der KinderKinder sollen sich unterordnen, zurückstecken, damit sie uns allen gefallen

Diese Denkweise ist Teil unserer Geschichte – geprägt durch viele Kriege, Traumata (die Psychologen könnten Jahrelang am Stück dazu berichten!), in denen sich Hierarchien aufgebaut haben: Einer sagt etwas, der andere führt aus. Hier habe ich bereits etwas dazu geschrieben.
Die Beziehungen, die entstanden und nach wie vor so entstehen, sind Objektbeziehungen.

Von der Objekt- zur Subjektbeziehung

In einer Objektbeziehung macht der eine den anderen zum Objekt seiner Vorstellungen, Ideen, Ziele, Absichten, der andere wird mit geeigneten Methoden, (subtil) verbal, psychisch, physisch unter Anwendung von Macht(missbrauch) oder Gewalt, geformt.

Wenn ich also zum Objekt gemacht werde z.B. durch Belehrungen, Konsequenzen, Lob, Bestrafung,

  • mache ich andere auch zum Objekt („Du bist selbst blöd! Doofe Mama!“) oder
  • die objektivierte Person macht sich selbst zum Objekt.

Ich habe diese Strategie auch wunderbar angewandt. In der Schule war ich in Mathe „nie“ gut. „Ich kann Mathe halt nicht.“ Schon hatte ich mich zum Objekt gemacht – meine persönliche Strategie, um mich vor dem „Objekt“-Schmerz selbst zu schützen.

Meine Beziehung zu mir „Ich bin halt doof“  und zu Mathe „ich hasse Mathe“ litt erheblich. Mein Selbstbewusstsein auch. Es ist wohl ein Wink des Schicksals, dass ich einen Mathelehrer geheiratet habe… 🙂

Die Fragen sind also:

  1. Wie komme ich in eine Beziehung, mit mir, meinem Kind, meinem Partner, in dem wir uns auf Augenhöhe wertschätzen?
  2. Wie schaffe ich eine Beziehung, in der wir vollkommen gesund sind, uns gegenseitig inspirieren, bereichern und miteinander wachsen und frei entwickeln können?
  3. Wie machen wir es, dass wir uns uns nicht gegenseitig objektivieren, sondern in einer Subjekt-Subjekt-Beziehung leben?“

Ich glaube, es braucht Mut, aus den alten Rollen auszusteigen und sich auf Neues einzulassen. Und vor allem viele viele viele kleine Schritte, Durchhaltevermögen und Zeit zu lernen. Auch Loslassen von dem Gedanken, perfekt zu sein, hin zur Akzeptanz, dass wir Fehler machen. JEDEN TAG. Und jeder Fehler, jeder Wutausbruch, jeder Schrei bringt uns und unserem eigenen Schmerz, „objektiviert“ worden zu sein, näher – und dann fast automatisch hin zur Beziehung zu uns selbst und zum Anderen.