Kommunikation

Warum hast du das gemacht?

von Manuela

7 Gründe warum dein Kind nicht auf deine Frage reagiert

„Und, wie war’s?“ frage ich meine Tochter. Es ist die Frage, die mich interessiert. Ich will wissen, was meine Tochter erlebt hat, als sie zum „Probeunterricht“ in ihre zukünftige Schule durfte. Sie antwortet nicht.

Stattdessen rennt sie davon, zum Spielplatz um die Ecke und hängt schon am Klettergerüst, bevor ich mich noch von den anderen Eltern verabschieden konnte.
Oft reagieren Eltern verärgert, wenn sie „keine Antwort“ auf ihre Frage bekommen.
Dabei gibt es viele verschiedene Gründe, warum Kinder nicht antworten, keine Reaktion zeigen auf deine Frage.

Ein paar davon möchte ich dir heute vorstellen und dir Tipps für Alternativen geben.

1. Du stellst Fragen, deren Antwort nur dich interessiert bzw. die für dein Kind nicht relevant ist

Ganz klassisch sind hier die Fragen, die für dich wichtig sind, denn du willst etwas wissen:
Dazu gehören Fragen wie:

  • Wie war’s heute im Kindergarten? ⇒ Du willst z.B. wissen, ob es ihm dort gut geht 
  • Was gab’s zum Essen? Was hast du heute gegessen? Du willst z.B. wissen, ob es sich „gesund ernährt“
  • Was habt ihr in der Schule gemacht? Du willst z.B. wissen, ob es zurecht kommt mit den Inhalten, ob es seinen Platz findet, ob es Probleme hat
  • Welche Hausaufgaben hast du denn? Du willst z.B. wissen, ob es seinen „Aufgaben“ nachkommt, wie es sich selbst verantwortlich siehst (oder du dich in der Verantwortung siehst)

All diese Fragen stehen aber nicht zentral im Fokus für dein Kind. Es ist interessiert dein Kind einfach nicht, was es zum Essen gab (oft können sie sich gar nicht daran erinnern), sie sind nicht in der Lage „aufzuzählen“, was sie in der Schule gemacht haben (die Frage selbst ist unglaublich allgemein formuliert) und was es als Hausaufgaben auf hat, kann als kontrollierende Frage verstanden werden, wodurch es mit „passivem Widerstand“ reagiert.

Und doch antworten dein Kind oft gerne – weil es kooperiert. Weil es dich liebt.
Wenn es mal nicht antwortet, hat es das nichts damit zu tun, dass es dich ärgern will oder dich als Person nicht wertschätzt:
Die Frage als solche ist für dein Kind zu diesem Zeitpunkt einfach nicht relevant.

2. Du stellst „die falsche“ Frage für dein Ziel

Eigentlich bist du interessiert, etwas über dein Kind, seine Erfahrungen und Erlebnisse zu erfahren. Also fragst du möglicherweise:

  • War es ein schöner Geburtstag?
  • Hat es dir gefallen?
  • Hast du dich über… gefreut?

Dein Kind antwortet dir – klassisch kurz und knapp. Das ärgert und frustiert dich möglicherweise. Denn es ist eben doch nicht die Antwort, die du gerne hättest. Eigentlich möchtest du nämlich in den Dialog gehen, Informationen erhalten.

Wenn du die richtigen Antworten finden willst, musst du die richtigen Fragen stellen.(Vanessa Redgrave)

Das Problem hier ist die Art und Weise der Frage.
Im obigen Beispiel handelt es sich um sogenannte geschlossene Fragen. Dies sind solche, auf die es nur eine begrenze Anzahl von Antworten gibt – z.B. Ja oder Nein.
Geschlossene Fragen sind in verschiedenen Gesprächssituationen wichtig und relevant.

Wenn du jedoch wirklich etwas über dein Kind erfahren möchtest, dann bedarf es Fragen, die dein Kind berühren, die die Fantasie anregen, die Einblicke geben in seine Innenwelt, Träume, Vorlieben, seine Gedanken, Gefühle, sein Erleben und seine Standpunkte:

  • Was hat dich heute am Geburtstag zum Lachen/Weinen gebracht?
  • Was hat dich am Meisten begeistert? Was hat dich überrascht?
  • Was stört dich / was findest du besonders wichtig z.B. im Kontakt mit…?
  • Gibt es etwas, was du gerne mal ausprobieren möchtest (mit X)? Wie würde sich das anfühlen? Was hindert dich daran?

3. Du stellst eine „Warum“-Frage

Deine Kinder streiten, eines kneift das andere und einer weint. Der Streit unter Geschwistern begleitet dich täglich, oder?
Du greifst also ein und versuchst zu schlichten. Die Idee: Es gibt einen Schuldigen, eine Begründung, so dass du über „Recht“ und „Unrecht“ entscheiden kannst und den Konflikt beendest. Ja, so machen das (Schieds-)Richter.

  • Warum hat dich Peter so angeredet?
  • Warum hast du das gemacht?
  • Warum bist du nicht einfach…sondern…?

Du willst also konkret wissen, wer „Schuld“ hat, was konkret los war, die Gründe für das Verhalten verstehen
Das geht leider meist in der Form schief – sobald du einen Gewinner und Verlierer betitelst, eskaliert der Konflikt ein zweites Mal, die Geschwister treten mehr und mehr in Rivalität zueinander und kämpfen gegeneinder um die Anerkennung der Eltern.

Um also eine Verhaltensänderung wirklich zu bewirken, braucht es Einsicht und das Bewusstsein (!) in das eigene Verhalten, in die Motivation und vor allem ins Ziel.

Frau unterhält sich mit Kind

Warum-Fragen sind komplex

Für Kinder ist die Beantwortung einer „Warum-Frage“(hier habe ich schon mal was dazu geschrieben) grundsätzlich sehr schwer. Sie sind nämlich aufgrund ihrer Entwicklung und/oder Veranlagung noch nicht in der Lage, ihre Gedanken und Gefühle zu äußern (abgesehen davon, dass auch das für Erwachsene eine Herausforderung darstellen kann) oder gar sich in den anderen hineinzuversetzen, um dann zu reproduzieren, welche Gefühle und Intentionen der andere hatte.

Kurz: Ein Kind, das sich kognitiv noch nicht in einen anderen hineinversetzen kann, ist also gar nicht in der Lage, eine Begründung für das Verhalten eines anderen zu geben.

Gleichzeitig ist es besonders Kindern nicht möglich, unter „Bedrohung“, z.B.

  1.  wenn es einem wütenden, mit erhobenem Zeigefinger und grimmigen Gesicht vor ihm stehenden Erwachsenen begegnet oder
  2. in Momenten, in denen es selbst emotional aufgewühlt ist,

denkend und rational zu agieren. Grund dafür ist die Art und Weise, wir der menschliche Körper auf Wut und Angst reagiert  sowie das noch unreife Gehirn von Kindern. (Mehr dazu erfährst du in in meinem Mentoring-Programm „Gemeinsam wachsen: Von der Wut zur respekt- und liebevollen Eltern-Kind-Kommunikation.“)

Sie empfinden diese Frage deshalb dann als Missbilligung und unmittelbare Beurteilung und reagieren mit Schweigen oder Rechtfertigung:

  • „Er hat angefangen!“
  • „Sie hat zuerst gehauen und mir meine Sachen weggenommen.“

Wenn es um Problem- und damit Konfliktlösung geht, hilft nur aktives Zuhören. Hier und hier habe ich dir schon einmal davon erzählt.

Die Fähigkeit durch Fragen (vermittelnd zwischen deinen Kindern) tätig zu sein, ist ein Übungsfeld, das du mit Leichtigkeit gehen kannst!

Das Ziel im Blick

Nichtsdestotrotz ist das Nachgehen des Warums, um eine Verhalten zu verstehen, notwendig. Dabei hilft es, sich neugierig auf die Suche nach einer Antwort zu machen was hinter dem Verhalten steckt und diese gewisse Reaktion verursacht hat.
Die Zielfragne sind deshalb dann:

  • „Was wollte mein Kind erreichen?“ und
  • „Wie können wir eine adäquate (für alle passende) Lösung für dieses Ziel finden?“

Es geht dabei also prinzipiell darum, den Fokus weg zu lenken von der äußeren Welt, nämlich dem kindlichen Verhalten (das Symptom) und stattdessen den Blick auf die innere Welt (Ursache) des Kindes zu richten:

„Dieses Verhalten ist die Strategie ‚was‘ zu erfüllen / ‚wofür‘?“

4. Der Gesprächsrahmen ist fordernd

Wie Erwachsene Gespräche führen, welche Gesprächsregeln wir besitzen und welche Codes wir nutzen, erlernen Kinder über viele Jahre hinweg.

Unangenehm sind grundsätzlich „Interview“-Situation. Du kennst das sicherlich selbst aus Bewerbungsgesprächen, Abfragen in der Schule oder ähnlichen „prüfungsähnlichen Situationen“.

Denn in diesen Momente erhalten sie weder Hilfe noch Feedback vom Gesprächspartner. Gleichzeitig ist der Fokus auf das Kind gerichtet – es steht also im Zentrum der Aufmerksamkeit. Etwas, das Kinder grundsätzlich vermeiden, es sei denn das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit wird von ihnen initiiert.
Solche Situationen treten dann auch auf, wenn Kinder aufgefordert werden zu sprechen:

  • „Na, erzähl mal der Oma, wie…“
  • „Jetzt sag schon, ob…“

Interview-Situationen sind Fragegespräche (auch diagnostische Analysen) und für Kinder unglaublich unbekannte Situationen, besonders dann, wenn der Gesprächspartner unbekannt und der Ort fremd ist.

Auch wenn

  • die Gesprächssituation als solche zu lange dauert,
  • fehlende Motivation für das Gespräch vorhanden ist oder
  • das Interesse der Gesprächspartner unterschiedlich ist, 

reagieren Kinder mit „passivem Widerstand“ und verschließen sich.

Wenn dein Kind dir dann kein Feedback, keine Rückmeldung ist, fühlt es sich möglicherweise einfach unwohl oder sein Spannungsbogen ist kürzer als deiner (das Gespräch hat „lang genug“ gedauert, so dass es sich abwendet und einer anderen Tätigkeit zuwendet).

Frau und Kind in der Sonne

5. Du stellst zu viele Fragen

Wenn Kinder „ausgefragt“ werden (z.B. in der Schule) oder mit zu vielen Fragen überhäuft werden, „machen sie zu“: Sie sagen dann lieber nichts, als dass sie zeigen, dass sie etwas nicht verstanden haben.
Diese Interviewsituationen gleichen dann mehr einem Verhör und kann Kinder in Bedrängnis bringen. Zu viele Fragen können als Einmischung ins Privatleben und eigene Empfinden aufgenommen werden.

Aus diesem Grund ist es besser, die eigene Neugier und die sofortige Erfüllung dieses Bedürfnisses aufzuschiebne. Kinder reden von selbst über das, was sie loswerden möchte genau dann, wenn sie sich wohl fühlen: In vertrauter Umgebung zu und/oder mit Menschen, denen sie vertrauen.

Kind mit geschlossenen Augen

6. Dein Kind hat Angst vor deiner Reaktion

Du weißt sicherlich, „man kann nicht nicht kommunizieren“ (Paul Watzlawick). Wenn dein Kind schweigt und dir keine Antwort gibt, kann zudem ein Grund dafür sein, dass es Angst vor deiner Reaktion hat.

Oft sind solche Momente mit „Warum-Fragen“ (siehe oben) verbunden, die widerrum einher gehen mit Wut und Ärger deinerseits.
Damit sich dein Kind jedoch öffnen kann, braucht es das Wissen, dass es nicht bestraft wird für das, was es getan hat oder sagen wird.

7. Du gibst zu wenig Zeit

Etwas, was ich oft beobachte, ist, dass wir zu wenig Zeit geben. So wie ich direkt nach einem Erlebnis meine Tochter mein Bedürfnis nach Information stillen wollte, so braucht sie doch selbst erst Zeit, all ihre Eindrücke zu verarbeiten.

Es ist, wie wenn du nach einem anstrengenden Tag nach Hause kommst und von deinen Kindern überfallen wirst oder dein Mann/Partner von dir wissen möchte „wie es denn nun war“.

Auch wir brauchen Zeit zur Reflexion. Zeit, alles zu verarbeiten und uns selbst zu sammeln.
Wenn wir hier unserem Kind Zeit geben können, kommt es von ganz alleine und berichtet, wenn es soweit ist.

Fazit

Ich erlebe häufig, dass wir als Erwachsene davon ausgehen, dass Kinder „so kommunizieren“ wie Erwachsene.
Dabei vergessen wir oft nicht nur die Persönlichkeit des Kindes und seine Erfahrungen, die in der Kommunikation eine erhebliche Rolle spielen, sondern auch die psycho-soziale Entwicklung.

Es gibt viele Faktoren, die ausschlaggend sind dafür, dass dein Kind dir keine Antwort auf deine Frage gibt.

„Mit Kindern sprechen“ ist demnach ganz und gar nicht banal, sondern Bestandteil deines Alltags, in dem du viele Faktoren mit einbeziehen kannst. All das Wissen hilft dir, in verschiedenen Momenten ruhiger und entspannter zu sein statt „das Schweigen“ als mangelnde Wertschätzung deinerseits zu interpretieren und grundlos in einen Eltern-Kind-Konflikt zu rauschen.

Kommunikation ist komplex, Sprache ist Bindung.